Noch ein paar Worte zum AfD-Landesverand in Schleswig-Holstein in seiner Gänze. Wer sich etwas näher mit der AfD in Schleswig-Holstein beschäftigt, mag sich bei der Lektüre des Verfassungsschutzberichts für unser Lande womöglich verwundert die Augen reiben. Aber es ist tatsächlich so: Die AfD-Schleswig-Holstein taucht als Gesamtpartei immer noch nicht als Beobachtungsobjekt im jährlichen Bericht des Verfassungsschutzes auf.
Wo der schleswig-holsteinische Landesverband der AfD inzwischen angekommen ist, möchte ich anhand von nur zwei Beispielen demonstrieren:
Im Sommer 2024 bewarb der Landesverband den „Tag des Vorfeldes“. Dabei handelte es sich um ein Strategietreffen der extremen Rechten, das in Neumünster stattfand. Zur Erklärung: Mit „Vorfeld“ ist gemeint, dass das öffentliche Leben und der Raum außerhalb von Politik und Parlamenten Ziel der Agitation sein soll. Dies ist kein neues Konzept. Es ist eine seit Jahren in der „Neuen Rechten“ beheimatete politische Strategie. Das Terrain jenseits der Politik wird beackert, um eine kulturelle Vorherrschaft zu gewinnen. Auf diese Weise, so das Kalkül, sollen die Themen der extremen Rechten in den politischen Diskurs einsickern und ihre Ziele durchgesetzt werden, ohne dass sie eigentliche politische Macht errungen haben. Leider gelingt das auch zum Teil, siehe etwa die teilweise wenig sachliche Debatte und die politischen Entwicklungen in der Migrations- bzw. Asylpolitik.
Anders als beim durch die Correctiv-Recherchen bekanntgewordenen Treffen in Potsdam, wissen wir nicht, was beim „Tag des Vorfeldes“ in Neumünster im Einzelnen besprochen wurde. Allein, womit auf dem Plakat geworben wurde, verdeutlicht, dass der Landesverband keinerlei Abgrenzung zu anderen Akteurinnen und Akteuren ganz rechts außen vornimmt:
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Sämtliche Personen, Vereine oder Medienunternehmen, mit denen der Flyer wirbt, stammen aus dem sehr rechten oder dem extrem rechten Lager. Besonderes Augenmerk bitte ich auf folgende drei Protagonisten zu legen: Bei dem als Teilnehmer angekündigten Matthias Helferich handelt es sich um einen fraktionslosen Bundestags-Abgeordneten der AfD aus NRW, der sich selbst als „freundliches Gesicht des Nationalsozialismus“ bezeichnet haben soll. Dieser geht mit seiner plumpen Nazi-Rhetorik offenbar selbst der eigenen Partei so sehr auf die Nerven, dass diese gegen ihn ein Parteiausschlussverfahren anstrengt. Die AfD Schleswig-Holstein ficht sein relativ unverhüllter Nazismus nicht an, den „Tag des Vorfelds“ mit seinem Namen und Konterfei zu bewerben.
Was die beteiligten Organisationen anbelangt, werden sowohl der Verein "Ein Prozent" als auch das Magazin "Compact" vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft. Die Zusammenarbeit des Landesverbandes der AfD mit "Compact" setzte sich auch nach dem „Tag des Vorfelds“ fort. Für den Dezember 2024 bewarb die Partei eine Veranstaltung mit einem Redakteur des rechtsextremistischen Magazins.
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Die Jugendorganisation der AfD, die Junge Alternative (JA), gerät in Schleswig-Holstein mitunter in die Schlagzeilen wegen Boxtrainings, die sie zusammen mit internationalen Rechtsextremisten durchführt. Es ist sicher nichts dagegen einzuwenden, dass junge Menschen Sport treiben, aber bei der JA assoziiere ich dabei unweigerlich die Schlägertruppe SA der Nationalsozialisten, und das nicht nur, weil sich die Abkürzung in nur einem Buchstaben unterscheidet. Viele junge Leute hält Sport davon ab, Unsinn zu treiben. Das trifft bei der JA leider keineswegs zu, wie z.B. ihre widerwärtige Hetze in den Social-Media-Kanälen erkennen lässt, wo sie ihren verfassungsfeindlichen und menschenverachtenden Müll verbreitet. Ich muss dieses hier gar nicht weiter mit Beispielen untermauern, um zum entscheidenden Punkt zu kommen: Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die JA bereits 2023 insgesamt als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ eingestuft.
Die AfD Schleswig-Holstein berühren die verfassungsfeindlichen Umtriebe ihres Parteinachwuchses in keiner Weise, im Gegenteil. In einem einstimmigen Beschluss auf dem Landesparteitag am 02.11.2024 stellt sie sich geschlossen hinter ihren rechtsextremistischen Jugendverband. „Wir sind stolz auf unsere Jugendorganisation – und wir lassen uns diesen Stolz von niemandem nehmen!“, heißt es in der Resolution.
![](https://jan-kuerschner.de/content/images/2024/11/Resolution_i.png)
Es ist nicht nur eine Tatsache, dass sich die AfD nicht von der übrigen extremen Rechten abgrenzt: Sie dient in diesem Milieu vielmehr als Sammelbewegung und als Scharnier – auch in Schleswig-Holstein. Ich halte die Vorgehensweise des Landesverbandes bezüglich der oben dargebrachten Beispiele „Tag des Vorfelds“ und den Beschluss zur JA für gezielte Provokationen. Mir kommt es fast so vor, als handelte es sich dabei um eine Art „stummer Schrei nach Zuwendung“ in Richtung des Verfassungsschutzes, um dessen Aufmerksamkeit zu gewinnen und endlich Eingang in den jährlichen Bericht zu finden. Vielleicht ist das eine Erklärung für dieses Auftreten, das die AfD mittlerweile in Schleswig-Holstein an den Tag legt und welches an den Elefanten im Porzellanladen erinnert. Wahrscheinlich möchten die schleswig-holsteinischen AfD-Mitglieder, wenn sie anlässlich von Treffen der AfD auf Bundesebene abends beim Bier am Tresen stehen, sich nicht dem beißenden Spott der Kameradinnen und Kameraden aus den anderen Landesverbänden darüber aussetzen, dass der Verfassungsschutz die AfD Schleswig-Holstein immer noch für zu harmlos hält.
Abschließend noch eine Bemerkung zu den verschiedenen Einstufungen der AfD oder ihrer Unterorganisationen durch den Verfassungsschutz: Aus der AfD kommt zu diesem Thema ohne Unterlass die Behauptung, die „Altparteien“ würden das Bundesamt für Verfassungsschutz und die Landesämter als „weisungsgebundene“ Behörden „politisch instrumentalisieren“, um die AfD zu diffamieren und delegitimieren, weil sie sich nicht anders zu helfen wüssten, eine entsprechende Einstufung sei deshalb absolut irrelevant. Diese unsinnige Erzählung verschweigt natürlich, dass die Entscheidungen zu den verschiedenen Einstufungen der Ämter für Verfassungsschutz in Bund und Ländern zur AfD und ihren Unterorganisationen von unabhängigen Gerichten in verschiedenen Instanzen bis hin zu den Oberlandesgerichten nach Klagen der AfD geprüft und bestätigt wurden. Was etwa die oben genannte Einstufung der JA als „gesichert rechtsextremistisch“ betrifft, scheiterte ein Antrag der AfD und der JA im Eilverfahren gegen diese Klassifizierung im Februar 2024 vor dem Verwaltungsgericht Köln. Die juristische Auseinandersetzung zur Einstufung der JA als „rechtsextremistischer Verdachtsfall“ ist bereits in einem weiteren Stadium. Hier holten sich AfD und JA im Mai 2024 vor dem Oberverwaltungsgericht Münster eine blutige Nase ab. Das Gericht bestätigte, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD und die JA entsprechend bezeichnen und beobachten darf.
Und wie nicht anders zu erwarten: Wenn unabhängige Gerichte zum Nachteil der AfD entscheiden, schäumen die Partei nebst ihrem Umfeld und faseln etwas von „politischer Justiz“. Man ist dann versucht, diese Menschen zu fragen, warum überhaupt der Rechtsweg beschritten wird, wenn die Justiz politisch abhängig und von den „Altparteien“ geleitet ist, wie die AfD es zu suggerieren versucht? Aber man lässt es dann doch, weil sinnvolle Antworten auf einfachste Fragen aus dieser Richtung ohnehin nicht zu erwarten sind.