Politik gegen sozial Schwache, Umverteilung von unten nach oben und wie die AfD Reiche noch reicher machen will
Die AfD stellt sich gern als Partei der „kleinen Leute“ dar, die hart arbeiten. Diese Erzählung funktioniert: Die Partei wird in hohem Maße von Menschen aus den unteren und mittleren Einkommensschichten gewählt. Das ist eigentlich paradox, wie es das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) formuliert, denn die Politik der AfD läuft den ökonomischen Interessen genau dieser Gruppen zuwider.
Die AfD und Sozialleistungen
Gehen wir der Sache doch einmal auf den Grund und schauen uns an, was die AfD für einkommensschwächere Schichten im Köcher hat und fangen ganz unten an, bei den Sozialleistungsempfängern. Im Grundsatzprogramm und auch im Programm für die Bundestagswahl 2021 äußert sich Partei dazu relativ knapp. Sie will eine „aktivierende Grundsicherung“, die dafür sorgen soll, dass genügend Anreiz vorhanden ist, eine Arbeit aufzunehmen (Grundsatzprogramm, S.37, Bundestagswahlprogramm 2021, S.121). Man muss nicht lange suchen, um Äußerungen aus der Partei zu finden, die einen klaren Hinweis darauf geben, welcher Generalverdacht diesem programmatischen Ansatzu zugrundeliegt: Sozialleistungsempfänger sind arbeitsunwillig. Die Partei pflegt das alte Vorurteil des Sozialleistungsmissbrauchs, und genau so steht es z.B. in einem Post auf der Seite der AfD in Schleswig-Holstein vom 04.04.2023:
„Sorgen wir erstmal dafür, Millionen Sozialhilfebezieher in einen Job zu bringen – hierzu könnte neben einer Bildungsoffensive ein Abbau der sozialen Hängematte hilfreich sein.“
Natürlich nimmt die AfD keinerlei Differenzierung vor, welche Umstände Menschen außer unterstellter Arbeitsunwilligkeit davon abhalten könnten, eine Arbeit aufzunehmen: Ob ein Mensch eventuell einen kranken Angehörigen pflegt, ob ein Mensch selbst krank ist oder ein*e Alleinerziehende*r sich um das Kind kümmern muss.
Arbeitslose sollten daher sorgfältig überlegen, ob die AfD tatsächlich eine gute Wahl für sie darstellt und sie diese Partei tatsächlich in Regierungsverantwortung hieven möchten. Ihre Freizeit könnte knapper werden, denn die AfD beabsichtigt eine verpflichtende „Bürgerarbeit“ für Menschen, die länger als sechs Monate im Leistungsbezug stehen. Außerdem könnte es dann das letzte Mal sein, dass sie überhaupt wählen waren: Es gibt Stimmen in der AfD, die Arbeitslosengeldempfänger*innen vom Wahlrecht ausschließen wollen.
Die AfD und der Mindestlohn
Mittlerweile spricht sich die AfD deutlich für den Mindestlohn aus (Grundsatzrogramm, S.36). Das war nicht immer der Fall, etwa in der Zeit, als die Parteisprecherin noch Frauke Petry hieß. Auch äußerte das jetzige Bundesvorstandsmitglied Beatrix von Storch die Ansicht, dass Arbeitnehmer*innen von einem Vollzeitjob nicht leben können müssten. Der Staat könne ja aufstocken. Anders formuliert: Die Allgemeinheit soll dafür geradestehen, wenn das Geschäftsmodell eines Unternehmens auf Lohndumping und Ausbeutung basiert. Zwar befürwortet die AfD in ihrem Programm inzwischen den Mindestlohn ausdrücklich – aber wie hoch dieser sein soll, dazu will sie sich nicht festlegen. Tatsache ist, dass die AfD im Deutschen Bundestag die letzte Gelegenheit verstreichen ließ, zu einer konkreten Verbesserung der Situation von Menschen im Niedriglohnsektor beizutragen: Sie verweigerte geschlossen die Zustimmung zu einer Erhöhung des Mindestlohns.
Die AfD und die Mieten
Die meisten Menschen, insbesondere diejenigen mit unteren Einkommen, verfügen nicht über Wohneigentum. Viele Menschen leiden unter den explodierenden Mieten, doch insbesondere für Geringverdiener stellen die nur noch schwer zu stemmenden Mieten eine existenzielle Belastung dar. Instrumente zur Entschärfung der Situation für Mieter*innen sind Mietpreisbremse oder Mietendeckel. Die AfD lehnt beides als „Überregulierung“ und „Investionshemmnisse“ ab (Bundestagswahlprogramm 2021, S.169f.). Sie sieht den Ausweg in einer öffentlichen Wohneigentumsförderung und Wohngelderhöhung. Die Allgemeinheit soll es also wieder richten, damit Wohnungskonzerne und Hauseigentümer*innen mit keinen Abstrichen rechnen müssen.
Steuern
Und was sagt die AfD zum Thema Steuern? In ihrem Grundsatzprogramm steht zur Steuerpolitik:
„Wir treten für ein einfacheres und gerechteres Steuersystem ein, das mit niedrigen Steuern vor allem Mittel- und Geringverdiener finanziell entlastet.“ (Programm für Deutschland, S.73)
Das hört sich zunächst einmal vielversprechend an. Aber was hat die Partei konkret vor?
Die AfD ist gegen eine Vermögenssteuer (Grundsatzrogramm, S.75), also gegen eine Steuer, die nur Menschen zu entrichten haben, die im Zweifel nicht hart arbeiten müssen, sondern ihr Geld für sich arbeiten lassen können.
Die AfD ist für die Abschaffung des Solidarzuschlags (Bundestagswahlprogramm 2021, S.38). Auch dies ist eine Abgabe, die nur noch Unternehmen und wirklich sehr reiche Personen zu entrichten haben. Sieht so Politik aus, die „vor allem Mittel- und Geringverdiener entlastet“?
Die AfD will die Erbschaftssteuer abschaffen (Grundsatzrogramm, S.75). Festzuhalten ist: Die meisten Menschen in Deutschland erben gar nichts oder nichts Wesentliches. Erben ist ein Privileg, bei dem hohe Freibeträge existieren. Es geht hier nicht um „Omas kleines Häuschen“, das so gerne in der Diskussion um die Erbschaftssteuer bemüht wird, sondern um ganz erhebliche Summen. Man kann im Abstand von 10 Jahren zweimal 400.000 EUR erben, also in der Summe 800.000 EUR, ohne Erbschaftsteuer entrichten zu müssen. Die Erbschaftssteuer greift bei wirklich hohen Hinterlassenschaften und trifft zumeist Menschen, die in ihrem Leben aufgrund von Herkunft und den damit verbundenen Chancen ohnehin schon bevorteilt sind. Die Erbschaftssteuer hat das Ziel, einen gesellschaftlichen Ausgleich zu schaffen. Aber sozialer Ausgleich ist eben nicht das, was die AfD will.
Wer profitiert tatsächlich von der Politik der AfD?
Das Leibniz-Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung hat anlässlich der Bundestagswahl 2021 analysiert, was für Konsequenzen die einzelnen Gestaltungspläne der Parteien für Privathaushalte mit unterschiedlichem Einkommen nach sich zögen. Demnach würde die Politik der AfD die Haushalte mit einem Einkommen bis zu 55.000 EUR mit Werten von unter 1 Prozent quasi überhaupt nicht entlasten. Über diesem Wert nimmt die Sache ganz langsam Fahrt auf: je größer das Einkommen, desto größer die Vorteile. Und ganz am Ende wird noch einmal richtig Gas gegeben: Haushalte mit einem Einkommen von 250.000 bis 2.000.000 EUR könnten sich über eine eine Entlastung von etwa 8 Prozent freuen. Zum Vergleich: Das Durchschnittshaushaltseinkommen lag in Deutschland 2023 bei knapp 60.000 EUR, also knapp über dem, wo eine zaghafte Entlastung durch die AfD gerade erst beginnt. Nein, das ist keine Politik, welche die „kleinen Leute“ im Fokus hat!
Alle mögen nun selbst prüfen, ob und inwiefern sie von der Plänen der AfD profitieren – und ob es die Sache wirklich Wert ist.
Die Frage ist, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen. In einer, in der alle immerzu auf den eigenen Vorteil bedacht sind? In einer Gesellschaft, in der das Lied der geeinten Nation gesungen wird, dann dann aber alle einzig und allein den persönlichen Gewinn im Auge haben? Der Gegenentwurf ist eine Gesellschaft, die nach Ausgleich strebt. Eine Gesellschaft, in der diejenigen, die mehr schultern können, dies als sinnvoll erkennen und tun und nicht permanent einen Ausweg suchen, dem zu entgehen. Eine solidarische Gesellschaft.
Solidarität? Diese Vokabel kennt die AfD nicht. In ihrem Grundsatzprogramm kommt dieses Wort nicht ein einziges Mal vor.