Die AfD stellt sich gerne als Heilsbringerin dar, als einzige Partei, die für dieses Land und seine „normalen“ Menschen eintritt. Sie denkt dabei in Kollektiven und konstruiert ein gemeinsames „Wir“, dem sie die konstruierten „Anderen“ als Feinde entgegensetzt. Aber wie ist es eigentlich um das gemeinsame „Wir“ in der AfD selbst bestellt? Dieser Frage will ich in diesem Abschnitt nachgehen.
Erinnert sich noch jemand an die Namen Bernd Lucke, Frauke Petry und Jörg Meuthen? Es ist in der deutschen Parteiengeschichte wahrscheinlich noch nicht dagewesen, dass eine Partei in einer derartigen Frequenz ihre Parteivorsitzenden nicht nur verschleißt, sondern diese darüber hinaus sogar aus der Partei ekelt und zu warnenden Stimmen vor ihrer ehemaligen Partei werden lässt.
Dies ist das Ergebnisses des ewigen Kampfes der AfD gegen sich selbst. Ränke, Zwietracht bis hin zu blankem Hass: In dieser Partei herrscht fortwährend Streit, der weit über das Maß hinausgeht, bei dem wir es noch mit normaler Auseinandersetzung innerhalb eines politischen Interessenverbandes zu tun haben. Hier handelt es sich um reine Selbstzerfleischung. Das destruktive Innenleben der AfD ist mittlerweile in einer unüberschaubaren Anzahl von Zeitungs- und TV-Berichten, Büchern und Filmen dokumentiert.
Was die Neigung zum Dissens anbelangt, stellt auch die AfD in Schleswig-Holstein keine Ausnahme dar. Legendär in Erinnerung bleibt die Schlammschlacht um die ehemalige Landesvorsitzende Doris Sayn-Wittgenstein. Die AfD wurde in Schleswig-Holstein 2022 aus dem Landtag gewählt, nachdem sie sich dort bereits ordentlich selbst zerlegt, zwei Mitglieder und damit den Fraktionsstatus verloren hatte. Ihr Schmierentheater führt die Partei nun auf kommunaler Ebene vor. Regelmäßig herrscht dort Streit in den Kreistags- oder Ratsfraktionen der AfD, der den Bruch der Fraktionen oder den Austritt von Mitglieder nach sich zieht. So geschehen z.B. im im Rat der Stadt Eckernförde, im Herzogtum Lauenburg oder im Kreis Schleswig-Flensburg. Im Kreistag von Stormarn hielt die AfD ihren Fraktionschef für nicht mehr tragbar und hat diesen entmachtet, im Kreistag von Dithmarschen hat sich die Fraktion der AfD zweier ihrer Mitglieder entledigt. Wohlgemerkt: Die hier aufgezählten Austritte und Rausschmisse auf Kreisebene ereigneten sich alle in dem kurzen Zeitraum nach den Kommunalwahlen 2023!
Auch im Kreis Rendsburg-Eckernförde kam es innerhalb der Partei zu einer – letztlich nicht erfolgreichen - Revolte. Dort begehrten einige Parteimitglieder gegen den Kreisvorstand auf. Mir ist über einen anonymen Kontakt ein Antragsentwurf der „Rebellen“ zur Abwahl des Vorstandes zugespielt worden. Anonyme Quellen sind grundsätzlich mit einem gewissen Zweifel behaftet und kritisch zu betrachten. Da der Inhalt einerseits ein gewisses Prinzip zum Ausdruck bringt, indem er anderen bereits öffentlich gewordenen Streitigkeiten innerhalb der AfD ähnelt, und andererseits mit dem Pressebericht über die Ereignisse beim Kreisparteitag der AfD Rendsburg-Eckernförde korrespondiert, bin ich geneigt, die Authentizität des Dokuments für wahrscheinlich zu erachten.
Die Lektüre lässt tief in die Zustände blicken in der AfD, gleichgültig, ob man den Vorwürfen der „Rebellen“ Glauben schenkt oder nicht. Der Text verdeutlicht das zweifelhafte menschliche Miteinander innerhalb dieser Saubermann- und Sauberfrau-Partei auf, lässt die persönlichen Befindlichkeiten der Protagonistinnen sowie Protagonisten erahnen, offenbart charakterliche Mängel und deutet auf Defizite der innerparteilichen Demokratie hin.
Wenn von hier ab von „Intrigen“ innerhalb des AfD-Kreisverbandes die Rede ist, die Begriffe „Zwietracht“ und „Aggressivität“ fallen, um die Stimmung dort zu beschreiben, wenn ich mitteile, es würden „ehren- und rufschädigende Lügen über Mitglieder des Kreisverbandes“ verbreitet und ich die „fehlende Professionalität in der Organisation“ und einen Kreisvorstand „in Trümmern“ thematisiere, handelt es sich nicht um meine Formulierungen, sondern um diejenigen aus einem mutmaßlich authentischen parteiinternen Dokument aus der AfD. Weiter lässt sich der Antragstext über Praktiken des Vorstands wie angebliche „personelle Schachereien“ sowie „Gespräche im Verborgenen“ aus und beanstandet, dass „ohne vorherige Absprachen Tatsachen geschaffen“ würden.
Es ist schon erstaunlich, dass ein derartig zänkischer, selbstzersetzender Verein sich uns als Rettung Deutschlands verkaufen möchte!
Der gesamte Text des Antragsentwurfs:
(Hinweis: U.a. um den anonymen Informanten zu schützen, handelt es sich bei dem hier veröffentlichten Text nicht um eine Ablichtung des Originals des mir überlassenen Dokumentes, sondern um eine Abschrift.)